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Vorwissen

Karl Mays Reiseerzählungen und das deutsche Indianerbild

Die Indianer Nordamerikas waren in Deutschland spätestens ab dem späten 18. Jahrhundert eine gesellschaftliche, politische und historisierende Projektionsfläche, welche diese zu quasi Verwandten machte. Das romantisierte Bild der ‚Edlen Wilden‘, die im Wald leben, wurde mit dem Leben der Germanen verglichen und war zusammen mit der Unabhängigkeit der USA ein Beispiel für Freiheit von Nöten und Repressalien, denen die deutsche Bevölkerung ausgesetzt war. Die große Auswanderungswelle ab der erfolglosen Revolution 1848/49 führte zudem dazu, dass die deutsche Bevölkerung bald nicht nur über literarische Texte, sondern auch über direkten Kontakt mit Verwandten, die in die USA gezogen waren, Informationen über die Situation der indigenen Bevölkerung erhielten. Zudem berichteten Zeitungen und Zeitschriften zeitnah über aktuelle Ereignisse aus den USA.

Als Karl May seine Reiseerzählungen schrieb, konnte er deshalb nicht nur auf literarische Vorbilder und wissenschaftliche Werke zurückgreifen, um seine Geschichten glaubhaft zu machen. Er konnte auch davon ausgehen, dass seine Leser*innen schon ein relativ großes, verallgemeinerndes Vorwissen über Indianer hatten, auf das er aufbauen konnte. Deshalb war es nicht nötig, genau zu beschreiben, was Mokassins waren oder wie ein Tomahawk aussah. Gleichzeitig überlässt es May auch oft der Fantasie der Leser*innen, aufgrund des Vorwissens zu interpretieren, was er pauschal benennt: Wie sehen beispielsweise Indianerstiefel oder ein indianischer Jagdrock aus?

Im Kontrast dazu gibt es Stellen, an denen May materielle Kultur oder Rituale auf Basis ethnographischer Literatur sehr genau beschreibt oder erklärt. Er konnte damit zwar vor allem sein vermeintlich aus eigener Erfahrung erlangtes Wissen beweisen, gleichzeitig war es ihm so aber auch möglich, neue Elemente einzubringen, die noch nicht als allgemeiner Wissensschatz zu erwarten waren, wie beispielsweise die Struktur eines Pueblos in Winnetou I. Gleichzeitig reagiert er aber auch auf verändertes Vorwissen und damit andere Erwartungen. Spätestens mit den Wild-West-Shows wie der von Buffalo Bill, die 1890/91 zum ersten Mal durch Europa tourten, etablierte sich zum Beispiel die Federhaube als stereotypes Element des Indianers. Diese Kopfbedeckung holt er dann im 1909/10 erschienen vierten Winnetou-Band selbst aus dem Koffer, damit er von Pferden als Indianer erkannt wird. Zur gleichen Zeit wurde die Federhaube tatsächlich von indigenen Gruppen in weiten Teilen Nordamerikas nur deshalb getragen, weil Touristen diese bei ‚Indianern‘ erwarteten.

Zu dem ‚Wissen‘ der Zeit, auf das May daneben zurückgreift, gehören auch kulturevolutionistische Vorstellungen, die ‚Zivilisation‘ mit europäischer bzw. euroamerikanischer Kultur gleichsetzen. Dass May sich in seinen Erzählungen zugleich deutlich gegen Kolonialismus und die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung ausspricht, führt zu einer schon vor ihm vorhandenen ambivalenten Sichtweise: Einerseits wird das Verschwinden der Indianer durch die Amerikaner erwartet und bedauert, zugleich wird ihre Rettung in der Assimilation der euroamerikanischen Lebensweise gesehen.

Kalumet(Malin Reinhard)

„Er zog eine Pfeife hervor, deren lieblich-niederträchtige Penetranz meine Nase schon von weitem empörte, und stopfte sie mit einer Mischung, welche aus zerstoßenen roten Rüben, Hanfblättern, geschnittenen Eicheln und Sauerampfer zu bestehen schien, versetzte sie in Brand, stand auf, tat einen Zug, blies den Rauch gen Himmel und gegen die Erde und sagte: „Da oben wohnt der gute Geist, und hier auf der Erde wachsen die Pflanzen und die Tiere, welche er für die Krieger der Kiowas bestimmt hat.“ (Karl May: Winnetou I)

Bei Karl May kommt das Rauchen der ‚Friedenspfeife‘ fast in allen Amerika-Erzählungen vor. Alle Stämme kennen und benutzen dieses Ritual. In Wirklichkeit waren die Art der Pfeife und die Sitte vor allem unter den Indianerstämmen im Bereich des Oberen Missouri, der Plains und der Großen Seen geschätzt. Die Apachen etwa nutzten sie gar nicht. In Winnetou I macht Old Shatterhand die erste Bekanntschaft mit dem Kalumet bei einem Kiowa-Krieger.

Das Kalumet dient mehreren indianischen Ethnien zum Gebet und ist eigentlich ein langes, hohles, verziertes Holzrohr. Mit einem Pfeifenkopf wurde es zur ‚Heiligen Pfeife‘ und wurde auch zu Friedensabschlüssen, zur ‚Besiegelung‘ von Freundschaften und während des Abschlusses von Verhandlungen, Geschäften und Verträgen geraucht. Daher prägten die weißen Siedler, die in diesen Zusammenhängen mit dem Ritual in Berührung kamen, den Begriff Friedenspfeife.

Die Pfeife bestand dabei aus dem bis zu 90 cm langen Stiel, an dessen Ende ein bis zu 18 cm langer Pfeifenkopf sitzt. Dieser ist meist aus der speziellen rötlichen Tonart Catlinit, welche so benannt wurde, nachdem der amerikanische Maler George Catlin 1835 die Steinbrüche in Minnesota besucht hatte. Verbrannt wurde in dem Pfeifenkopf ursprünglich zerriebener Tabak, gemischt mit Kräutern oder der Rinde der roten Weide. Der Rauch soll positive Energien anziehen und negative Geister verjagen. Kennzeichnend sind außerdem z.B. angebundene Adlerfederfächer, Haarsträhnen sowie Kopfbälge von Enten, Spechten und Adlern.

Fotos: Karl May Museum

Tomahawk(Irene Theodora Papageorgiou)

„Die Waffe flog, sich immer um sich selbst wirbelnd, erst niederwärts, berührte in einiger Entfernung den Boden, stieg dann rasch und jäh empor, wirbelte in einer Bogenlinie weiter und senkte sich endlich nieder, um den Schaft des Speeres gerade in der Mitte zu treffen und wie ein Rasiermesser zu durchschneiden.“ (Karl May: Satan und Ischariot)

Als Tomahawk wird ein Beil bezeichnet, das von vielen indigenen Völkern Nordamerikas als Kriegswaffe und später als Allzweck-Werkzeug benutzt wurde. Seit dem 16. Jahrhundert war es mit Eisenklingen aus europäischer und amerikanischer Produktion versehen.

Das deutsche Lesepublikum lernte den Tomahawk als grausame Waffe mit zerstörerischer Wirkungskraft kennen. Der Ausdruck ‚das Kriegsbeil begraben‘ basiert auf der Tatsache, dass im östlichen Waldland bei Friedensschlüssen tatsächlich das Beil begraben wurde. Da ‚Friedenspfeifen‘ weiter westlich in einem ähnlichen Kontext geraucht wurden, waren ab dem frühen 19. Jahrhundert Pfeifentomahawks (Abbildung) wichtige Repräsentationsgegenstände, die beide Ideen in sich vereinigten. Gefertigt wurden Sie von amerikanischen Schmieden und kamen über den Handel oder als Geschenke ins indigene Nordamerika.

May, Karl: Satan und Ischariot, Bd. 2, Freiburg 1897 (= Karl May’s gesammelte Reiseerzählungen, 21), S. 353.

King, J. C. H.: Smoking Pipes of the North American Indian, London 1977.

Ob der Pfeifentomahawk in der Sammlung des Karl-May-Museums wirklich, wie vom Schenker behauptet, vom berühmten Hunkpapa-Lakota Sitting Bull (Tȟatȟáŋka Íyotake) stammt, sollte mit gewisser Skepsis bewertet werden. Möglich ist es aber. Foto: Markus Lindner 2023

Die Plainsfederhaube(Daniel Schuchert)

Zu der Art von Schmuck, um die es sich hier handelt, durften nur die zwei äußersten Schwungfedern des Kriegsadlers genommen werden. Der meinige reicht hinten vom Kopf bis auf die Erde herab, ist von sorgfältigster, indianischer Arbeit und hat seine eigene, sehr ergreifende Geschichte. (Karl May: Winnetous Erben)

Gerne wüsste man, welche „ergreifende Geschichte“ hinter dem Federschmuck Old Shatterhands steckt, doch darauf geht der Erzähler nicht weiter ein. Anders als vermutet, taucht die Federhaube in Karl Mays Reiseerzählungen nur ein einziges Mal auf. In Winnetous Erben wird davon erzählt, dass Old Shatterhand durch das Tragen dergleichen vorgab, selbst ein Indianer zu sein. Durch diese Täuschung gelang es ihm, ungezähmte Pferde zu bändigen.

Im Gegensatz zu Mays Ausführungen durften die Federn bei Kopfschmuck in natura auch von anderen Vögeln stammen. Bei der auf den Plains verbreiteten Federhaube handelt es sich jedoch immer um eine aus Schwanzfedern von Adlern. Historisch zeigte sie den Status eines besonders guten Kriegers und verbreitete sich als Handels- und Geschenkobjekt im 19. Jahrhundert über die ganzen Plains.

Als Kopfbedeckung der Lakota in den Wildwest-Shows von Buffalo Bill wurde sie schnell zum Klischee und prägte so auch das deutsche Indianerbild ab dem späten 19. Jahrhundert. Durch kommerzielle Vermarktung wurde sie ein Stereotyp des ‚Indianischen‘, das bis heute wirksam ist: Ein Indianer ohne Federschmuck ist kein Indianer, weder im Film noch in Bad Segeberg und auch nicht beim Karneval. Und vermutlich wusste das auch Karl May, als er Winnetous Erben schrieb.

Lindner, Markus: Die Aneignung der Plainsfederhaube als Provokation, in: Dinge als Herausforderung. Kontexte, Umgangsweisen und Umwertungen von Objekten, hrsg. von Hans Peter Hahn und Friedemann Neumann, Bielefeld 2018, S. 217–241.

May, Karl: Winnetous Erben, Bamberg 1960 (= Gesammelte Werke, 33), S. 111.

Eine Lakota(?)-Federhaube (Nr., Jahr=) mit Schleppe und Hermelinbesatz in der Ausstellung des Karl-May-Museums. Foto: Markus Lindner 2023

Marterpfahl(Markus Lindner)

Als wir den Wagen erreichten, sah ich Hawkens, Stone und Parker, welche dort angebunden waren […] an Pfählen, welche fest und tief in die Erde gerammt waren. Ein vierter war leer; an diesen wurde ich befestigt. Das also waren die Marterpfähle, an denen wir unser Leben in elender, schmerz- und qualhafter Weise beschließen sollten! (Karl May: Winnetou I)

Der Marterpfahl ist keine Erfindung Karl Mays, sondern war als Motiv schon vor ihm fest etabliert. Balduin Möllhausen nimmt beispielsweise in der Erzählung Die Mandanen-Waise (1865) direkt auf den Pfahl und die damit verbundene Folter Bezug. In Coopers Der letzte Mohikaner (1826) wird er im Zusammenhang mit von Irokesen praktizierter Folterung erwähnt. Dies war keine reine Fiktion. Ab 1752/53 konnten Deutsche beim französischen Jesuit und Missionar Joseph-François Lafitau erfahren, dass die Irokesen Gefangene auch, aber nicht nur an Bäumen und Pfählen rituell folterten. Johann Gottfried Herder nahm das Motiv 1769 in die Kritischen Wälder auf und sah im stoischen Ertragen der Schmerzen eine Gemeinsamkeit zwischen Indianern und Deutschen – ein Motiv, dass durchaus zu Karl May passt.

Im 19. Jahrhundert gibt es zahlreiche Berichte über die Folterung durch Apachen und Komantschen, wobei es dabei nicht um die reine Bestrafung von Gefangenen für ein Vergehen geht und ein explizierter Marterpfahl dabei keine Rolle spielt.

May, Karl: Winnetou, Bd.1, hrsg. von Joachim Biermann und Ulrich Scheinhammer-Schmid, Bamberg/Radebeul 2013 (= Historisch-kritische Ausgabe, IV/12), S. 269

Die stereotype Darstellung von Marterpfahlszenen spiegelt sich auch beim Spielzeug wider – hier in einer Elastolin-Figur aus der Sammlung des Karl-May- Museums. Produzent: O&M Haußer, Ludwigsburg, vermutlich vor 1945. Foto: Karl-May-Museum

Der Medizinmann(Anna Grathoff)

Was Hunderte und Aberhunderte von einzelnen Medizinmännern im Lauf der Zeit an Geistesgaben und Kenntnissen besessen hatten, das sprach man ihm, dem Höchstgestiegenen, in voller Summe zu. Um zu begreifen, was das heißt, muß man wissen, daß es grundfalsch ist, sich einen indianischen „Medizinmann“ als einen Kurpfuscher, Regenmacher und Gaukler vorzustellen. Das Wort Medizin hat in dieser Zusammensetzung nicht das geringste mit der Bedeutung zu tun, die es bei uns besitzt. (Karl May: Winnetous Erben)

Anhand des Medizinmannes lässt sich sehr gut der Wandel aufzeigen, den das Indianerbild Karl Mays durchgemacht hat. Im ersten Teil der Winnetou-Reihe wird der Medizinmann nur beiläufig erwähnt: Er ist dort eine Mischung aus magischem Heiler und Zukunftsseher.

In Winnetous Erben versucht May, den Leserinnen und Lesern die Kultur der Indianer mit einer viel größeren Zahl an Details näher zu bringen. So führt er etwa das Klischee der Schamanen als übernatürliche Scharlatane an, hält aber mit seinen Beschreibungen über ihre vielschichtigen Aufgaben dagegen. Trotzdem wirkt es bei May so, als sei die indigene ‚Wissenschaft‘ der europäischen unterlegen.

Die Ambivalenz des Indianerbildes von May spiegelt sich auch in der Figur eines Medizinmanns in der Villa Bärenfett, die mit Objekten aus ganz verschiedenen Stämmen ausgestattet ist, damit aber nicht mehr als ein Sinnbild für einen Begriff ist, der zum Stereotyp geworden ist.

May, Karl: Winnetous Erben. Bamberg 1960 (= Gesammelte Werke, 33), S. 22

Die letzten Kostümfiguren kamen 1944 ins Karl-May- Museum. Der ‚Shoshone-Medizinmann‘ des Bildhauers Ernst Grämer spiegelt dabei eher die Vorstellungen der Zeit als einen realen Shoshone wider. Foto: Anna Grathoff 2023

Mokassins(Simon Prahl)

„Der Anzug bestand aus Mokassins, ausgefransten Leggins und einem ledernen Jagdrocke, dies alles sehr einfach und dauerhaft gefertigt. Im Gürtel steckte ein Messer, und an demselben hingen mehrere Beutel, in denen alle die Kleinigkeiten steckten, welche einem Westmanne nötig sind.“ (Karl May: Winnetou I)

Der Begriff ‚Mokassins‘ wurde nach der Besiedlung des nordamerikanischen Kontinents durch die Europäer in der ‚Alten Welt‘ schnell bekannt. Auswanderer schickten die Schuhe der ‚Ureinwohner‘ in ihre Heimat, da ihnen diese nützliche und zweckmäßige Fußbekleidung gefiel. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Karl May den Begriff des Indianerschuhs nicht näher erläutern muss. Es reicht völlig aus, dass der Erzähler lediglich auf die Mokassins referiert, ohne dass eine detaillierte Beschreibung notwendig erscheint, auch wenn es große regionale Unterschiede gibt und die Apachen sie in dieser Form nicht getragen haben.

Die abgebildeten Mokassins sind keinem Volk zuzuordnen, stammen aber vermutlich aus dem Präriegebiet am Missouri. Sie bestehen aus dem weichem Leder der Bisamratte, wobei die Sohle und das Oberteil aus einem einzigen Stück geschnitten wurden. Die Zunge des Schuhs wurde nachträglich eingesetzt. Die besonderen Schnürriemen des Mokassins sind ebenfalls aus Bisamleder. Die kunstvoll ausgearbeiteten Stickereien, die dem Schuh seine Individualität verleihen, sind aus Stacheln des amerikanischen Baumstachlers und Pflanzenfasern. Die Mitte der roten Bestickung beinhaltet echten Wollstoff mit einer gedruckten Einfassung aus blaugefärbten, gespaltenen Federkielen. Die Länge dieser Mokassins beträgt 30 cm, die Breite 12,5 cm. Der Fertigungsprozess ist übrigens ausgesprochen schwierig.

May, Karl: Winnetou, Bd.1, hrsg. von Joachim Biermann und Ulrich Scheinhammer-Schmid, Bamberg/Radebeul 2013 (= Historisch-kritische Ausgabe, IV/12), S. 94

Fotos: Karl-May-Museum

Stiefel(Simon Prahl)

„Aus dieser mehr als zulänglichen Umhüllung guckten zwei dürre, sichelkrumme Beine hervor, welche in ausgefransten Leggins steckten, die so hochbetagt waren, daß sie das Männchen schon vor zwei Jahrzehnten ausgewachsen haben mußte, und die dabei einen umfassenden Blick auf ein Paar Indianerstiefel gestatteten, in denen zur Not der Besitzer in voller Person hätte Platz finden können.“ (Karl May: Winnetou I)

Die Apachen der Wüstengebiete trugen nicht die typischen Mokassins, sondern Stiefel. Die abgebildeten bestehen aus weichem, gelb bemalten Hirschleder, das mit einer Sehne zusammengenäht ist. Auf der Innenseite des Stiefels gibt es einen schmal überstehenden Saum. Die Schnürsenkel sind ebenfalls gelb gefärbt und in der Knöchelgegend befestigt. Zusammengebunden werden die Schnürsenkel, wie üblich, an der Fußoberseite. Die Sohle des Stiefels ist aus Pferdehaut hergestellt und wird ringsum aufgebogen, wodurch ein kreisrundes Sohlenstück sichtbar wird. Die hier zu sehenden Stiefel sind für ausgesprochen dünne Beine genäht.

Es ist nicht eindeutig, ob Karl May derartige Stiefel meint, als er in Winnetou I Sam Hawkens beschreibt, für den sie allerdings ideal wären, da er von schmächtiger Gestalt ist. Mithilfe des Kontrastes zwischen dem schmächtigen Westmann und den dadurch enorm groß wirkenden Schuhen charakterisiert Karl May sie als faszinierendes Kleidungsstück. Besonders herausstechend ist die Größe der Stiefel, denn sie gehen weit über das Knie hinaus bis zum oberen Oberschenkel. Bei weiten Reisen sind die hohen ‚Indianerstiefel‘ nützlich, um Hautentzündungen durch Schweiß oder Reibungen zu verhindern, da der Stoff die direkte Berührungen der Hautschichten verhindert.

May, Karl: Winnetou, Bd.1, hrsg. von Joachim Biermann und Ulrich Scheinhammer-Schmid, Bamberg/Radebeul 2013 (= Historisch-kritische Ausgabe, IV/12), S. 31

Fotos: Karl-May-Museum

Jagdhemd(Simon Prahl)

„Sein Anzug bestand aus einer indianischen Lederhose, einem Jagdhemde aus demselben Stoffe und einfachen Mokassins. Bewaffnet war er nur mit einem Gewehre und einem Messer. Sein Auge blickte außerordentlich intelligent, und er brachte trotz seiner Mißgestalt keineswegs einen lächerlichen Eindruck hervor.“ (Karl May: Winnetou I)

Was der Erzähler mit ‚Jagdhemd‘ meint, ist nicht ganz klar. Womöglich bezieht er sich auf in europäischem Stil geschnittene Jacken, wie das aus Hirschleder hergestellte Jagdhemd der Cree. Diese Jacke zeichnet sich als besonders prachtvolles, altes Paradestück aus und stammt aus dem Gebiet der heutigen kanadischen Provinzen Manitoba, Alberta und Sasketchewan. Derartige Jagdhemden wurden von vielen Stämmen auf dem nordamerikanischen Kontinent benutzt. Sie unterschieden sich je nach regionaler Zuordnung in der Art der modischen Gestaltung und der verwendeten Materialien. Gleichbleibend ist allerdings die Bedeutung, denn es ist immer ein festliches Bekleidungsstück, welches von verdienten Kriegern, Jägern und Häuptlingen zu besonderen Anlässen getragen wurde.

Nicht verwunderlich ist es daher, dass Klekih-petra in Winnetou I genau solch ein Jagdhemd trägt, als er mit Winnetou und seinem Vater Intschu- tschuna auf Old Shatterhand und die Truppe der Landvermesser trifft. Klekih-petra, kein gebürtiger Apache, sondern ein deutscher Auswanderer, ist ‚Lehrmeister‘ und hat sich durch seine Rolle als Volksvermittler das Ansehen erworben, um sich des Jagdhemdes eines Apachen würdig zu erweisen. Es erfüllt den Zweck, die Bedeutsamkeit Klekih-petras zu unterstreichen, da das von außen zu sehende Kleidungsstück in seiner Funktion als Verdienstobjekt im späteren Verlauf auf innere Charakterzüge wie Edelmut oder Gerechtigkeit verweist.

May, Karl: Winnetou, Bd.1, hrsg. von Joachim Biermann und Ulrich Scheinhammer-Schmid, Bamberg/Radebeul 2013 (= Historisch-kritische Ausgabe, IV/12), S. 91

Fotos: Karl-May-Museum

Pueblo(Markus Lindner)

„Sie füllen gewöhnlich tiefe Felsenlücken aus, bestehen durchweg aus festem Stein- und Mauerwerk und setzen sich aus einzelnen Stockwerken zusammen, deren Zahl sich nach der Oertlichkeit richtet. Jedes höhere Stockwerk tritt ein Stück zurück, so daß vor ihm eine Plattform liegt, welche von der Decke des darunterliegenden Stockes gebildet wird. Das Ganze gewährt den Anblick einer Stufenpyramide, deren Etagen sich je höher desto mehr und tiefer in die Felsenlücke hineinziehen. Das Parterre steht also am weitesten vor und ist am breitesten, während die folgenden Etagen immer schmäler werden.“ (Karl May: Winnetou I)

Dass Winnetous Familie in einem Pueblo lebt, erscheint auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich, da die Apachen in Wirklichkeit nomadisch lebten und keine festen Häuser bewohnten. Zudem wurden sie als sehr ‚wild‘ angesehen. Die Gruppen, die wirklich in Pueblos lebten, wurden im späten 19. Jahrhundert jedoch als zivilisiert betrachtet, weil sie in Dörfern lebten und Bodenbau betrieben. So passt es gewissermaßen, dass in den Erzählungen die „hervorragendsten Krieger“ der Apachen ihre (dank Klekih-petra) erlangte Zivilisation durch das Bewohnen eines Pueblos beweisen, während die einfachen Apachen außerhalb desselben leben müssen.

Karl May selbst hat nie ein Pueblo gesehen, auch wenn er es sehr exakt beschreibt. Erst seine Frau Klara besuchte und fotografierte auf Ihrer Amerikareise im Jahr 1930 mehrere Dörfer, darunter Santa Clara und Taos Pueblo in New Mexico.

May, Karl: Winnetou, Bd.1, hrsg. von Joachim Biermann und Ulrich Scheinhammer-Schmid, Bamberg/Radebeul 2013 (= Historisch-kritische Ausgabe, IV/12), S. 265f.

Klara May (dunkle Kleidung) beim Besuch eines Pueblos (vermutlich Taos), 1830. Foto: wahrscheinlich Lucia Lieberknecht / Karl-May-Museum

Karl May Museum

Karl-May-Str. 5
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