Karl May wird heute meist als Auslöser der deutschen Indianerbegeisterung betrachtet, obwohl er eigentlich nur auf dieser aufgebaut hat. Die falsche Wahrnehmung hängt nicht nur mit der großen Popularität der Bücher und der Verfilmungen aus den 1960er Jahren zusammen, sondern ist vor allem eng mit der Vermarktung des Autors verbunden, die bekanntermaßen davon ausging, er wäre selbst Old Shatterhand gewesen. Zum Beweis ließ May nicht nur schussunfähige Modelle der berühmten Gewehre anfertigen, sondern posierte auch für Kostümfotos in seiner Rolle. Wie bei seinen Erzählungen basieren auch diese auf Vorbildern und Vorwissen der Betrachter. Seine Kleidung und Gestik ist deutlich angelehnt an die Fotografien von bekannten Westmännern der Zeit, insbesondere des berühmten William F. Cody alias Buffalo Bill. Zur gleichen Zeit forderte May seine Fans auf, ihm für sein Leseralbum Fotos zu schicken. Einige dieser eingesandten Bilder sind wiederum stark an die des Autors angelehnt, was deren große Wirkung zeigt.
Während May so am Ende des 19. Jahrhunderts wie ein erster Influencer auf seine Leser*innen einwirkte, änderte er seine Strategie, als öffentlich wurde, dass er seine Abenteuer doch nicht erlebt hatte. Er stellte sein Werk nun als etwas dar, das eine größere Bedeutung hatte. Dies wird nicht nur durch seine späten Veröffentlichungen deutlich, sondern auch durch eine neue, eher esoterisch-religiöse Gestaltung von Buchcovern durch den Künstler Sascha Schneider.
Mit seinem Tod im Jahr 1912 änderte Mays zweite Ehefrau Klara die Vermarktungsstrategie wieder. Mit der Gründung des Karl-May-Museums in der Villa Bärenfett, durch eigene Veröffentlichungen, und den Besuch von Lakota am Grab ihres Mannes strickte sie weiter am Mythos Karl Mays, der durch sie in Radebeul manifestiert wurde und bis heute greifbar ist. Dass Klara May dabei ähnlich wie Karl verschiedene Wahrheiten und auch Fantasien – das indigene Nordamerika in der Villa Bärenfett und den echten, aber auch erfundenen Menschen Karl May – vermischte, wirkt bis heute auf die Rezeption des Autors und seiner Rolle für das deutsche Indianerbild.